Welchen Beitrag kann die Alte Messe
zur Evangelisierung leisten?
von Kaplan Thomas Huber

Vorbemerkung

Evangelisation heißt, den Nächsten mit der Frohen Botschaft von Jesus Christus bekannt zu machen, ihm helfen sich zum Sohn Gottes zu wenden und Christus als seinen Erlöser zu bekennen. Evangelisation betrifft den Nächsten, sei er nie in der Hl. Messe zu finden oder täglich. Jeder bedarf der Evangelisierung. Die persönliche Hinwendung zu Gott ist eine lebenslange Aufgabe. Die Kirche gibt uns alle Mittel dazu, dass diese Hinwendung zu Gott gelingt.

Wenden wir uns dem Kreuz zu

In der alten Messe geschieht die Hinwendung zum Kreuz gleich mit dem Einzug des Priesters und schon in der Vor-, Gebets- und Lehrmesse. In der neuen Messe dagegen findet die Hinwendung zum Kreuz lediglich zum Offertorium und der Eucharistie am Hochaltar statt. (Wir betrachten hier den Fall, dass die neue Messe an einem Hochaltar zelebriert wird und nicht an einem Mahltisch). Dieser Unterschied zwischen alter und neuer Messe darf nicht übergangen werden. Einige Erläuterungen dazu: Das zum Kreuz hin gesprochene Stufengebet in der alten Messe und das Confiteor mit Versikel sind als eine kleine Bußandacht zu betrachten. Wer sich dem Geheimnis Gottes nähern will, muss vorher um Verzeihung seiner Sünden bitten. Das geschieht aber vor dem Angesicht des Kreuzes und nicht indem man sich gegenseitig anschaut, wie das im neuen Ritus der Fall ist. Dort wird die Messe von den Sitzen aus eröffnet, die entweder zum Volk gerichtet sind oder seitlich angebracht sind. Es folgt der Gebetsgottesdienst der alten Messe, zu dem bis zu vier Gebete gehören können: Der Introitus, das Kyrie, das Gloria und die Oratio, das Kirchengebet. Alle Gebete zeigen einheitlich die Gebetsrichtung zum Kreuz hin an. Die anschließenden Lesungen haben einen besonderen Stellenwert. Sie sind das Wort Gottes, das sich der Priester und das Volk zu Eigen gemacht haben und es nun dankend zu Gott hin zurücksprechen. Es gibt nichts Vollkommeneres, wenn aus dem Herzen der Gläubigen das Wort Gottes, Jesus Christus selber spricht. Erst danach, in zweiter Linie dienen die Lesungen zur Belehrung des Volkes. Die hl. Messe ist nicht zuerst Katechese, sondern das allein Gott wohlgefällige Opfer. Die Oratio, das Kirchengebet wird natürlich zum Herrn und zu seinem Kreuz hin gesprochen. Im neuen Ritus ist es möglich zu singen: »Allmächtiger Gott...« und gleichzeitig in Richtung Volk zu schauen. Diese Widersinnigkeit muss das Gläubige Volk verwirren. Dann wird in der alten Messe durch ein theologisch korrektes Offertorium die Hinwendung zum Kreuz weiter vertieft. Geopfert werden nicht Brot und Wein, sondern die makellose Opfergabe (immaculatam hostiam) und der Kelch des Heiles (calicem salutaris). Diese Gebete stellen das Opfer bereits als gegenwärtig dar, obwohl es noch nicht dargebracht ist. In dem Gebet dieser Vorweihe wird die unbefleckte Opfergabe beschrieben, welche nach der Konsekration gegenwärtig ist. Das ist durch die raum-zeitliche Einheit von der auf Erden gefeierten himmlischen Liturgie möglich. Weitere Zelebrationsanweisungen, die Rubriken, fordern den Priester bei der Opferung auf, die Augen zum Kreuz zu erheben. Die Augen auf das Altarkreuz gerichtet, müssen die Hostie und der Kelch mindestens auf Brusthöhe erhoben werden d.h. möglichst in Deckung mit dem Kreuz gebracht werden.

Später, nach der Konsekration des Brotes und des Weines, muss der Priester den Leib und das Blut Christi sogar noch höher erheben und zwar über seine eigenen Augen hinaus und idealerweise deutlich über seinen eigenen Kopf. Christus wird durch diese Große Elevation als der erkennbar, der er ist: als das Opferlamm, das vom Himmel niedersteigt. Die Kanonstille unterstreicht, dass es sich nicht um ein wiederholt gesprochenes Erinnerungsmahl handelt, sondern dass Christus in seinem Opfer auf dem Altar gegenwärtig wird. Ist die Große Elevation im neuen Ritus (Novus Ordo) noch erhalten geblieben, wobei es sich nunmehr um ein zeigen der eucharistischen Gestalten handelt, so ist die Kanonstille aus pädagogischen Erwägungen abgeschafft. Darüber hinaus wollte man den Mahlcharakter herausstellen, indem man die Konsekrationsworte jeweils um die Aufforderung Jesu, zu essen und zu trinken erweiterte. Das Wunder seiner tatsächlichen Gegenwart und das Opfer seines Leibes und Blutes zur Vergebung der Sünden werden verschleiert. Stellen wir darum durch die einheitliche Gebetsrichtung, durch ein theologisch richtiges Opferverständnis und durch eine geistliche Sammlung in Stille, das Kreuz unseres Herrn wieder klar in den Mittelpunkt.

Führen wir zur Tugend der Gottesverehrung

Die Tugend der Gottesverehrung drückt sich in den verschiedenen Kopfverneigungen zum Namen Jesu (und Mariens und des Tagesheiligen) aus, sowie in dem Knien vor Gott. Die Kopfverneigung zur Nennung der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, dem Gloria Patri am Ende des Psalms Judica, die tiefe Körperverneigung beim Confiteor und die sogenannten mittleren Körperverneigungen (z.B. beim Gebet Placeat am Schluss der hl. Messe) sind körperliche Ausdrucksweisen, die unser Gebet und unsere Verehrung Gottes unterstützen. Dann gibt es dazu noch die zahlreichen, aber angemessenen Kniebeugen. Sie machen deutlich: es hat sich wirklich etwas im Kirchenraum geändert, Christus ist wirklich in seinem Opfer gegenwärtig. Die alte Messe verdeutlicht die Realpräsenz Christi nach der Konsekration in eindeutiger Weise. Wenn aber deutlich ist, dass der Herr als Gott wirklich gegenwärtig ist, dann kann auch die Tugend der Gottesverehrung geübt und gelebt werden. Leider werden viele Kopf- und Körperverneigungen in den Rubriken der neuen Messe gar nicht mehr erwähnt. Noch gravierender sind die Streichungen von etlichen Kniebeugen. Das Aussterben der Gottesverehrung hat hier einen Grund. Auch die Spendung der heiligen Kommunion ist zu nennen. Die für alle verbindliche kniende Mundkommunion entspricht dem Dogma, von dem in der Eucharistie mit Leib und Blut, Seele und Gottheit gegenwärtigen Herrn und König Jesus Christus. Mit der Zulassung der Handkommunion tat sich mindestens ein Riss im Verständnis der Gläubigen auf, was diese den gerade empfangen mögen. Durch die verbindlich vorgeschriebene kniende Mundkommunion stellt die Kirche sicher, dass ein Mindestmaß an Gottesverehrung gezeigt und geübt wird.

Das Knien zum Offertorium und zur Wandlung war in der alten Messe nie Gegenstand der Diskussion. Vor dem auf den Altar niedersteigenden Gott fällt man auf die Knie. Das Knien fördert die Wachsamkeit gegenüber dem erscheinenden Gott und ist echte Gottesverehrung. Mit dem Novus Ordo Missae wurde die Möglichkeit eröffnet, auch zum Offertorium und zum Canon zu stehen. Das Stehen hat aber längst nicht mehr die Bedeutung, die es vielleicht mal in der Urkirche gehabt haben soll. Menschen stehen heute auch in Sportstadien oder hören im Kreis stehend Straßenmusikern zu. Das Stehen hat somit keinen geistlichen Ausdruck mehr. Schlimmer noch: Wenn ein Protestant eine katholische Messe besucht, drückt er meist durch sein Stehen aus, dass er sich vom Geschehen am Altar distanziert. Wenn die Menschen etwas von Jesus erhofft haben, fielen sie vor ihm auf die Knie. Führen wir also mit der überlieferten hl. Messe zur Tugend der Gottesverehrung zurück. Guillaume Ferluc fasst das so zusammen: »In der überlieferten Liturgie ist die participatio actuosa der Gläubigen eine demütige Teilnahme, die aus Schweigen, Anbetung, Niederknien, Bitten und Dank besteht. Viele Haltungen sind nicht anders als die eines Menschen in Schwierigkeit, der um Hilfe bittet, eines Menschen, der leidet. Und denken wir daran, daß unter den großen heiligen Priestern viele einfache Pfarrer und Ordensmänner waren, angefangen beim Heiligen Pfarrer von Ars, bei Don Orione oder Pater Pio. [...] es handelte sich immer um eine Liturgie, die alle einband, vom Bauer zur Hausfrau, Personen, die sicher nicht an der Sorbonne Latein studiert hatten oder an irgendeiner anderen Schule der Hochkultur, die sich aber dennoch als integrierter Teil dieser Liturgie empfanden, weil dieser Kult Gott dargebracht wurde.«

Vertiefen wir den Opfergeist

Eine alte Messe ist für einen »Anfänger« physisch und mental anstrengender als eine neue Messe. Das Knien kann schmerzen, die Liturgie kann einem als zu lange erscheinen und die Stille kann die eigene Zerstreuung offenlegen. Es ist also ein erhöhtes Maß an Anstrengung und Opfergeist gefordert. Durch die Vertiefung des Opfergeistes nehmen wir an dem Opfer Jesu Christi teil. Seine Liebe hat sich in seinem Kreuzesopfer gezeigt und unsere Liebe soll sich in der Nachahmung seines Opfergeistes zeigen. Es gibt keine Liebe ohne Opfer. Dieser Zusammenhang wird oft verwischt. Viel gepredigt wurde über die Liebe aber wenig über das Opfer. Der Opfergeist hat sich bei katholischen Gläubigen nahezu verflüchtigt. Für 90 Prozent der Katholiken in Deutschland ist der sonntägliche Weg zur hl. Messe zu lang. Von den zehn Prozent, die im Durchschnitt kommen, geht kaum jemand zur hl. Beichte oder kann um Mithilfe in der Pfarrei angefragt werden. Der schwindende Opfergeist führte dazu, dass die Prozessionen an Fronleichnam gekürzt wurden, die täglichen Andachten im Mai gestrichen und der hl. Rosenkranz aus dem Gebetsleben der Gläubigen verschwand. Tausende von Priestern, Ordensbrüdern und Schwestern gaben nach dem II. Vatikanischen Konzil ihr Weiheversprechen auf. Der neue Messritus hat viel von dem Opfergeist getilgt. Vieles sollte nun einfacher erscheinen, durchsichtiger und ansprechender für das gläubige Volk. So kam es zu erheblichen Veränderungen: Die hl. Messe wurde pädagogisiert, d.h. die Hinwendung zum Menschen begann! Von den Sitzen aus eröffnet der Priester die hl. Messe, um eine Gemeinschaftssituation zu schaffen. Das Kreuzzeichen spricht er in die Gemeinde hinein. Einleitende Worte in Landessprache sollen helfen in die hl. Messe »hineinzufinden«. Dadurch wird zu Beginn ein Dialog mit der Gemeinde eröffnet, der seine Aufmerksamkeit eher auf den Zelebranten als auf Gott hin ausrichtet. Verschiedene Formeln und freies Gebet für das Kyrie und den Bußakt sollten Abwechslung schaffen. Einfache und kurze Textfassungen für das Gloria und später auch für das Credo wurden zugelassen. Jedoch wurde mit der Einführung einer zweiten Lesung und einem weiteren Zwischengesang, der Wortgottesdienst ausgeweitet. Damit wollte man die Textfülle erhöhen, um das Volk besser zur Hl. Schrift zu führen. Mit den neu eingebauten Fürbitten sollte den Gläubigen geholfen werden, verschiedene Gebetsanliegen zu formulieren und mitzutragen. Gemeinschaftliche Elemente wurden im Offertorium verstärkt. Gabenprozessionen, die es in Ansätzen schon in früheren Liturgien gegeben hat, werden nun ausgeweitet. Dadurch sollen die Laien ihre Teilnahme bekunden. Verkürzt und gestrichen wurden dagegen viele Gebete, die das Opfer Jesu Christi betonen und die Allerheiligste Dreifaltigkeit um Annahme des Opfers bitten. Extreme Verkürzungen finden sich vor allem in dem neu geschaffenen zweiten Hochgebet. Wird dieses gewählt, entsteht zum dem wortlastigen ersten Teil der hl. Messe eine deutliche Schieflage. Berühmt geworden, in einem sehr zweifelhaften Sinn, ist die Formulierung: »Aus pastoralen Gründen ist es erlaubt...«. Hier werden Verkürzungen oder Veränderungen an der Liturgie geradezu gefördert. Freie Einladungen zum Gebet sind vor dem Vaterunser und noch einmal vor dem Friedensgebet möglich. Danach kann wiederum eine frei gewählte Einladung zum Friedensgruß erfolgen! Was ist hier noch verbindlich? Antwort der modernen Theologen: Verbindlichkeit soll sich nur noch auf die wesentlichen Teile des Gottesdienstes beziehen. Da Verbindlichkeit immer ein Vorgabe und Verpflichtung durch die kirchliche Autorität bedeutet, wurden flexible Elemente entwickelt, die dem liberalen Geist eher entsprechen. Der gemeinschaftliche Friedensgruß soll die Menschen miteinander zusammenbringen, allerdings auf Kosten der geistlichen Sammlung vor dem Empfang der hl. Kommunion. In Rom wird aus diesem Grund immer wieder über eine Verlegung des Friedensgrußes diskutiert. Leicht möchte der Novus Ordo es auch dem Priester machen: vor der Kommunion muss er nicht mehr drei Gebete (auswendig mit Blick auf das Allerheiligste) sprechen, sondern kann von zwei Gebeten das kürzeste wählen. Die Reinigung (Purifikation) von Patene und Kelch fällt einfacher aus. Kleine Partikel des Leibes Christi sind nicht mehr so sorgsam zu beachten. In der alten Messe müssen die vier Finger, die den Leib Christi berührten mit Wein und Wasser gereinigt werden — in der neuen Messe ist das nicht mehr vorgeschrieben. Man kann sogar die Patene oder Hostienschale mit dem Kelchtuch auswischen. Die Partikel, die daran haften bleiben gehen oft beim Herrichten des Kelches oder in der Sakristei verloren.

Dagegen sind in der alten Messe Anstrengung und Opfergeist gefordert. Der Priester dient zuallererst Gott. Vor ihm hat er Rechenschaft abzulegen. Dem Opfergeist des Priesters sollen sich auch die Gläubigen anschließen. Vertiefen wir darum den Opfergeist. Der Weg der Liebe und des Opfers führt zu einer authentischen Nachfolge Jesu Christi.

Zeigen wir die Würde des Priestertums

Der Priester wird in der alten Messe nicht danach beurteilt, wie er den Wortgottesdienst gestaltet, wie er in die Gemeindefeier einleitet und ob er die Menschen anspricht, sondern welche geistlichen Vollmachten er hat und wie er sie einsetzt. Der Priester setzt in der überlieferten Liturgie die Vollmachten Jesu Christi deutlicher durch und repräsentiert sie besser. Er ist der alleinige Verkünder des Wortes Gottes und Opferpriester, der ohne Beteiligung des Volkes das Opfer konsekriert. »Die Unterscheidung zwischen Priester und Volk wird deutlich sichtbar durch das Handeln des Priesters im Altarraum und der Teilhabe des Volkes im Kirchenschiff; durch das zweifache Confiteor beim Stufengebet im alten Ritus, während im neuen Ritus das Schuldbekenntnis der Zelebranten und des Volkes zusammenfällt«. Im Suscipiat betet der Priester darum, daß »mein und euer Opfer Gott dem allmächtigen Vater gefalle«. Die Antwort des Volkes ist nun ein Gebet für den Priester: »Der Herr nehme das Opfer an aus deinen Händen, zum Lob und Ruhme seines Namens, zum Segen für uns und seine ganze Heilige Kirche«. Im neuen Ritus ist es noch erlaubt, das Suscipiat zu sprechen, allerdings wird es nur noch als eine mögliche Form genannt, um den hierarchischen Unterschied zwischen Priester und Volk nicht zu betonen. »Ebenso sind Priester- und Gläubigenkommunion im überlieferten Ritus getrennt, denn erstere schließt das Opfer ab, gehört also zu seiner Integralität, während letztere stattfinden kann oder nicht.«

Der Priester hat seine Berufung von Christus, er hat seine Sendung von Christus und den Auftrag den Heilungsdienst Christi in der Einheit mit dem Ortsbischof an Ort und Stelle zu vollziehen. Da Christus durch die Wahl der Zwölf Apostel eine allen erkennbar göttliche Hierarchie eingesetzt hat, sind ihre Nachfolger, die Bischöfe und ihre Helfer, die Priester von Christus berufen und gesandt. Der Priester trägt dafür Sorge, dass Christus in der Gemeinde gegenwärtig ist. Während der neue Ritus sich als »Versammlung des Volkes Gottes unter dem Vorsitz des Priesters« versteht und so demokratische und humanistische Prinzipien aufnimmt, ist die überlieferte Liturgie Garant dafür, die Würde des Weihesakramentes und des Priestertums Jesu Christi ganz zu erhalten.

Wiederholen wir oft das Wort Gottes

Oft wird beklagt, dass der überlieferte Ritus eine zu kleine Textauswahl habe, die sowohl dem Priester als auch dem Volk wenig dienlich sei. Mit dem neuen Ritus wurde daher die sogenannte Bahnlesung eingeführt. Alle Texte der Heiligen Schrift werden nun werktags im Lauf von zwei Jahren gelesen. Sonntags werden in drei Lesejahren A, B und C die ersten drei Evangelien verkündet. Die Bahnlesung eignet sich für die tägliche hl. Messe in Klöstern und Priesterseminaren, in der Praxis der Pfarrei hat sie sich allerdings nicht bewährt, denn selbst in den Hauptkirchen von Pfarreien findet täglich gar keine hl. Messe mehr statt, weil die Priester in den umliegenden Filialkirchen wenigstens einmal pro Woche zelebrieren wollen. Der Sinn der Bahnlesung ist auch aufgehoben, weil der Priester aus der laufenden Woche eine passende Lesung auswählen darf. Lesungen werden nun nach eigenem Geschmack und theologischer Präferenz ausgewählt und nicht mehr durch die Tradition der Kirche. An den Sonntagen wird die Textauswahl hauptsächlich durch die Parallelstellen der Evangelien ausgeweitet. Die Gläubigen hören nun viele verschiedene Textvarianten einer einzigen Begebenheit oder eines einzigen Wunders. Ein geistlicher Nutzen ist hier nicht zu erwarten, wenn sich die Gläubigen fragen, warum es so viele Textvarianten gibt und der Priester es versäumt, in ausreichender Weise die exegetischen und theologischen Probleme verständlich zu machen. In dem einen Evangelium werden zwei Kranke geheilt, in dem anderen bei gleicher Begebenheit nur einer — welcher Evangelist übertreibt also oder wer lügt sogar? Die Gläubigen mit diesen Fragen zurückzulassen ohne diese zu beantworten, ist eine sträfliche Vernachlässigung der Hirtenplicht.

Stattdessen lässt die Lesung von Epistel und Evangelium der alten Messe die Gnade der Wiederholung zu. In der Tat werden viele Texte, vor allem bei den Heiligenfesten wiederholt, aber die Wiederholung senkt das Wort Gottes tiefer in die Seele der Gläubigen ein. Die Wiederholung der Pauluslesungen schärft den Charakter der Menschen, den heroischen Tugendgrad und die Opfergesinnung der Gläubigen. Die Lesungen wiederholen grundlegende christliche Glaubenswahrheiten, wie sie in der neuen Bahnlesung aus dem Alten Testament natürlich gar nicht vorkommen. Aber an die oft wiederholten Texte erinnert sich das gläubige Volk, wenn es in Gesprächen zum Glauben befragt wird und die Evangelisation vorantreibt. Die im Volk nahezu verschwundenen Jesu Worte und Schriftzitate bildeten das geistliche Fundament des christlichen Volkes des Abendlandes. Diese Bildung geschah in der überlieferten Leseordnung der alten Messe. Wiederholen wir darum oft das Wort Gottes.

Bilden wir die Laien

Der neue Messdiener hat in der neuen Messe wenig zu tun, wenig zu lernen und wenig zu beten. Dagegen wird der Messdiener in der alten Messe von Grund auf geschult. Korrekte Händehaltung, die drei Körperhaltungen: die Kopfverneigung, die mittlere Körperverneigung bei den Versikeln im Stufengebet und die tiefe Körperverneigung beim Confiteor und zur Verehrung des Allerheiligsten Sakramentes des Altares, sind zu erlernen. Der Messdiener der alten Messe braucht eine besondere physische und mentale Konstitution. Die Liturgie ist oft länger, das Knien kann anstrengend werden und geistige Erschöpfung ist absehbar. Viel wichtiger sind allerdings die auswendig gelernten Gebete die zu verrichten sind: Stufengebet, Confiteor und das Suscipiat sind Prüfsteine, die bewältigt werden müssen. Das Deo gratias, das Gloria tibi Domine und das Laus tibi Christe sind präzise und deutlich zu nennen, ebenso das Deo gratias am Ende des Schlussevangeliums. Der Messdiener hat sich in die Tugend der Gottesverehrung einzuüben und diese Tugend in der Gegenwart des Priesters zu verwirklichen. Er reicht die Dinge zu, hebt die Albe an und beschützt schließlich den Zelebranten vor möglichen Übergriffen. Das Läuten der Altarschellen lehrt ihn und die Gläubigen, im höchsten Maße die Aufmerksamkeit auf die heiligen Geheimnisse zu richten. Die oft auch gesprochen Texte des Ordinarium, wie Gloria und Credo senken sich in der Originalversion in die Seele des Messdieners ein und werden so zum verinnerlichten Glaubensgut. Nur der männliche Messdiener kann in diesem Umfeld seine etwaige Berufung zum Priestertum klären oder vertiefen.

Die Bildung der Laien setzt sich fort in der Bildung der Zeremoniare und Sakristane. Zeremoniare bedürfen jahrelanger Praxis, um überhaupt den Zelebranten sicher durch die Liturgie zu leiten. Grundlage dafür ist eine überdurchschnittliche Kenntnis der Rubriken, die meistens auch die Kenntnis der Zelebranten übersteigt.

Die Sakristane brauchen eine besondere Liebe zu allem, was zum göttlichen Kult gehört. Im Bereich der neuen Liturgie ist es schon so, dass die Sakristane nicht einmal mehr in der Lage sind, die Gewänder des Priesters in ansprechender Weise auszulegen. Oft nehmen sich die Priester die Gewänder einfach von der Stange. Die Sakristane können die Messbücher nicht mehr korrekt aufschlagen und stehen beim Ankleiden des Priesters tatenlos herum. Verwahrloste Altargeräte, dreckige Altartücher, ungepflegte Kerzen, vertrocknete Blumen, chaotische Sakristeischränke usw. sind immer seltener anzutreffen, wenn der Sakristan auch weiß, welch heilige Feier er zu bereiten hat und diese in glühendem Glauben und in Liebe zum Priestertum unterstützt.

Die Laien der überlieferten Messe werden ausgebildet, den göttlichen Kult in bestmöglicher Weise zu unterstützen. Die alte Messe fordert und fördert die Bildung der Laien zur größeren Ehre Gottes. Gehen wir dieses Werk mit besonderer Umsicht an.

Wird die überlieferte Messe mit größter Sorgfalt begangen, dann ist sie nicht nur die vollkommene Hingabe an den dreifaltigen Gott, sondern auch ein herausragendes Werk der Evangelisation, denn die überlieferte Messe führt direkt in die Glaubenswahrheiten ein und fordert eine Glaubensentscheidung heraus. Nichts anderes aber ist Evangelisation.